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22. Verschollene (Collage von Hannah Höch)

Performance: Erdholung



 
   

Hannah Höch gilt als Erfinderin der Collage in einem dadaistischen Kontext. Im Hannah Höch Archiv gibt es einige Abbildungen ihrer Collagen, die verschollen sind. S/W Fotos sind vorhanden - aber niemand weiss wo die Collagen sind, wie sie farblich aussehen, die Grösse ist unbekannt, das Alter ist unklar - und ob sie noch existieren weiss man nicht.

Jaro Straub und ich haben dazu ein Projekt entwickelt, das wir in den Räumen des -> Scharaun umgesetzt haben. Die verschollene Collage Nr. 22 habe ich entlang meiner eigenen künstlerischen Arbeitsstruktur neu interpretiert. Auf diese Weise möchte ich erreichen, dass aus der verschollenen Collage wieder ein reales Kunstwerk wird. Gleichzeitig wird auf diese Weise eine Arbeit von Hannah Höch in die Gegenwart überführt. Zudem möchte ich die Arbeit ab der Gegenwart in eine alternative Zukunft senden.

Zunächst habe ich die Collage von Hannah Höch als Collage genau nachgebaut. Anschliessend habe ich sie mit Holzkohle überzeichnet. Dadurch wurden die motivischen Informationen ausgelöscht. Gleichzeitig kam aber die collagistische Struktur zum Vorschein.

Hannah Höch hat das Dritte Reich zurückgezogen in einem Haus in Berlin-Heiligensee überlebt. Sie tarnte sich als Rosenverkäuferin. Daher ist der Garten auch auf eine ganz besondere Weise möglichst blickdicht und heterogen gestaltet. Sie brach alle Kontakte zu ihren Künstlerfreund*innen ab, um diese zu schützen. Nach dem Krieg lebte sie weiter in dem Haus und Garten bis zu ihrem Tod 1978. Seither wird ihr Haus und der Garten bis heute entsprechend ihrer Vorstellungen weiter gepflegt.

Aus diesem Garten habe ich Erde entnommen und in eine sog. Zeitkapsel gefüllt. In diese Erde wurde die verkohlte Collage eingebettet und mit Erde verfüllt. Immer zu einer Ausstellung wird die Arbeit mit der Performance „Ausgrabung“ aus der Zeitkapsel entnommen und zur Präsentation freigegeben. Zum Ende einer Ausstellung wird die Collage mit der Performance „Eingrabung“ wieder in die Erde der Zeitkapsel zurückgelegt und mit Erde verfüllt.

Beim Bau der Holzburgen der in der Gegend um Berlin ansässigen Slawen wurden die Spitzen der Holzbalken verkohlt, da sie so im Erdreich nicht durch Schädlinge und Fäulnis angegriffen wurden. Aus solchen konservatorischen Gründen habe ich die verkohlte Collage in der Erde deponiert. Wir finden im Depot eines Museum zwar bessere konservatorische Bedingungen als in der Erde vor. Trotzdem wissen wir sehr wenig über einen langfristigen Zeitraum in der Zukunft. Es scheint nur klar zu sein, dass auf eine lange Sicht Gebäude und Städte zu Ruinen werden, hingegen Artefakte im Boden sehr lange überleben können. Bei der vorliegenden Collage fiel die Entscheidung für eine durch Verkohlung optimierte Konservierung in der Erde. Zum realen Abgleich dieser zwei Zeitkonzepte wird die Zeitkapsel mit der Collage in der Erde nach einigen Ausstellungen in einem Museumsdepot eingelagert.